Hubert Jungwirth
Wie ein Alltagbrief ein besonderer Brief werden kann oder Wie Aschenputtel zur Prinzessin wurde
1830 brach in Rußland eine Choleraepidemie aus, die sich bedrohlich nach Westen ausbreitete. Daher wurden an den Einfallstraßen aus dem Osten wieder einmal Sanitätskordone mit Contumazämtern errichtet, die auch für die Desinfektion der einlaufenden Briefpost zuständig waren.
Von den Wirrnissen alter Kurzschriften
Als Erfinder der Kurzschrift gilt Marcus Tullius Tiro. Laut Wikipedia soll er vor 2000 Jahren die „Tironischen Noten“ geschaffen haben, die im römischen Reich weit verbreitet gewesen sein sollen.
Im deutschen Sprachraum begann die Entwicklung verschiedener Kurzschriftsysteme 1678. Ihr Gesamtzahl wird auf 800 bis 900 geschätzt, deren Vertreter häufig gegeneinander um allgemeine Anerkennung kämpften.
Auf den Spuren der Instradierung
Vorphilatelie kann neugierigen Sammlern allerhand Reize bieten. Beispiel dafür sind die Seltenheit der Aufgabeorte der Belege, die Klärung komplizierter Briefgebühren, rätselhafte Taxkorrekturen, oder eben die Instradierung vorliegender Briefe oder Briefpakete.
Altbriefe als Zeugen vergangener Wirrnisse
Offenbar leidet jede Zeit unter mehr oder weniger Irrungen. Manche dieser Irrungen klären mit der Zeit auf, wie als Beispiel der Irrtum, dass die Erde eine Scheibe sei.
Andere wiederum lassen sich, unverrückt festgekrallt im Gedächtnis von Generation zu Generation überliefern. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die bedrohliche Angst, dass die Pockenimpfungen bei Frauen zu Unfruchtbarkeit führen würden, welche während der bayrischen Besatzungszeit von 1806 bis 1814 quer durch Tirol gegeistert ist, und siehe da: derzeit werden den Impfungen gegen die Corona-Pandemie mit 200jähriger Dummheit die gleichen Folgen wie damals nachgesagt.
In untertänigster Ergebenheit
Die Beschäftigung mit Vorphilatelie kann so vielfältig sein, dass sie viel Flexibilität fordert: Die wichtigste Voraussetzung ist die Fähigkeit, möglichst viele unterschiedlich ausgeformte Schriften lesen zu können, was einer Vielfalt von Unterlagen und ungezählter Stunden einsamen Lernens bedarf. Wer zum Beispiel zu sehr an der aktuellen Grammatik hängt, muss sich an viele Abweichungen gewöhnen und wer die aktuelle Rechtschreibung als Inbegriff unserer Kultur sieht, muss an vielen wortwörtlichen und buchstäblichen Transkriptionen viel Nachsicht erlernen.
Die Legende von der Kaiser Franz Joseph-Ausgabe und ihren Fingerhutstempeln
1867 erschien in Österreich eine Briefmarkenausgabe, die in 7 frischen Farben ein Medaillon im Durchmesser von 15mm mit dem Portrait des Kaisers zeigt und bis heute einen legendären Ruf genießt. Kurz darauf erschienen an vielen Postämtern Einkreisstempel, von denen der kleinste fast genau über das Medaillon passte, und die ihrer Zierlichkeit halber Fingerhutstempel genannte wurden.
EEDWD
Fuhrmannsbriefe waren Lieferscheine für Güter, die mit Fuhrleuten befördert werden durften. Da sie als Teil privater Güterbeförderung gesehen wurden, unterlagen sie nicht der Beförderungskonzession der k. k. Post, wie etwa private Briefe.
Obwohl sich Fuhrleute häufig zu Zügen zusammenschlossen, um einander helfen zu können, wenn Schäden an den Wegen oder den Fuhrwerken auftraten, oder wenn gar ein räuberischer Überfall auf die geladenen Güter drohte, stellten sie ihre Transporte unter den Schutz Gottes. Daher begannen viele Absender die erste Zeile ihrer Fuhrmannsbriefe mit einem Rittzeichen oder kurze Anrufe um göttlichen Schutz, wie: Im Namen und Geleit Gottes sende durch……Unter Göttlicher Begleitung sende ich Ihnen hiermit………
Zwischen den Regimen
Nicht nur für Historiker sind Zusammenbrüche alter Regime und die Machtübernahme neuer Regime bedeutende Zäsuren ihres Faches, so wie sich in jüngster Zeit der Zusammenbruch der westlichen Herrschaft und die Machtergreifung durch die Taliban als leidvolles Beispiel ereignet haben.
Auch für Philatelisten spielen solche Ereignisse eine wichtige Rolle, weil sie meist Veränderung postalischer Grundlagen wie Währung, Tarife und Postordnungen Tarife zur Folge haben.
Ein rätselhafter Krankentransport
Es gibt Sammler, die nur schöne oder bis ins Detail geklärte Belege sammeln. Solche Sammlerfreunde sollten diesen Beitrag nicht lesen, weil er sich mit einem unattraktiven Beleg beschäftigt, der mehr Mutmaßungen und Rätsel aufwirft als Erklärungen. Das beginnt schon damit, dass ich in Unkenntnis der wirklichen Bezeichnung des folgenden Dokuments dieses einfach Stundenpass für eine Mitleidsfuhre nenne.
Wie schnell war die alte Post wirklich?
Als Postgeschichtler erzähle ich gerne einmal am Beispiel eines einfachen alten Beleges davon, wie wunderbar zahllose Details miteinander für das zentrale Ziel des alten Postbetriebes verknüpft wurden: für den Kampf um jede Minute.
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