Post aus dem Osmanischen Reich über Österreich in den Kirchenstaat

Post aus dem Osmanischen Reich über Österreich in den Kirchenstaat

 

Post aus dem Osmanischen Reich über Österreich in den Kirchenstaat

 

Briefe aus dem Osmanischen Reich in den Kirchenstaat sind nicht sehr häufig, was an den relativ bescheidenen Handelsbeziehungen zwischen Rom und Konstantinopel lag. Während also Briefe zwischen Genua, Livorno oder Venedig nach und von Konstantinopel, Smyrna oder anderen wichtigen Handelsstädten des bedeutenden Großreiches häufig zu finden sind, kann das vom Kirchenstaat nicht unbedingt gesagt werden, vor allem wenn man sich auf die Zeit 1815-1870, also nach dem Wiener Kongress bis zum Ende des Kirchenstaats und der Einverleibung der entsprechenden Gebiete in das Königreich Italien bezieht.

Meine diesbezüglichen Betrachtungen beruhen auf Erfahrungswerten von mittlerweile 25 Jahren, und wenn in einem Vierteljahrhundert so wenige Briefe auf Auktionen bzw. Händlern aufgetaucht sind so kann man auch nicht davon ausgehen, dass sich dies signifikant ändern wird. Insofern ist es auch nicht so einfach, die entsprechenden Postbeziehungen zwischen den beiden Ländern durch entsprechendes Briefmaterial belegen zu können.

Daher ist der heute zu besprechende Brief eine seltene und erfreuliche Ausnahme. Er wurde also im damaligen Konstantinopel (dem heutigen Istanbul) am 28. März 1836 geschrieben und an Marchese Ernesto Tambroni in Macerata (Region Marken) adressiert.

Der interessante Privatbrief (noch wesentlich seltener als die ohnehin schon raren Handelsbriefe) erzählt von den Erfahrungen seines Freundes Adolfo im Osmanischen Reich und den damaligen Lebensbedingungen. Den Schilderungen zur Folge muss Konstantinopel damals eine sehr blühende und lebendige Metropole gewesen sein, die auf italienische Bürger wohl einen entsprechenden Eindruck gemacht hat.

 

Nun, abgesehen von den durchaus interessanten Ausführungen, welche zahlreiche Informationen auf den Alltag im Osmanischen Reich geben, war aber das Hauptproblem des Briefeschreibers die finanzielle Liquidität. So erfahren wir aus dem Schreiben zunächst einmal, dass die Post aus Italien sehr lange braucht, um ihre Empfänger zu erreichen. Und dann beklagt sich der Briefeschreiber, dass die Beförderung der Post zahlreichen Schwierigkeiten ausgesetzt ist: bis nach Semlin (der Grenze zu Österreich) werden die Briefe von den Tartaren befördert und unterliegen der Quarantäne.

 

In der Tat bestätigt dies auch der vorliegende Brief. Wir wissen nicht genau, wann der Brief an die österreichische Post in Semlin übergeben wurde, die ihn dann auf dem Landweg über Pesth nach Wien, und von dort über Laibach und Venedig bis nach Pontelagoscuro (Grenzpostamt des Kirchenstaates mit der österreichischen Lombardei) beförderte und dort der Post des Kirchenstaats weitergab.

 

Wir kennen nur das Ankunftsdatum durch den Poststempel von Macerata vom 20. April, das zeigt eine Beförderungszeit von 23 Tagen (etwas mehr als 3 Wochen) an. Während dies für rein private Mitteilungen, die nicht unbedingt dringlich waren (außer in diesem Fall, wo der Absender dringend Geld braucht) vielleicht noch irgendwie akzeptabel war, waren Kaufleute, die einen eiligen und zuverlässigen Informationsaustausch benötigten, dadurch natürlich sehr eingeschränkt.

Kein Wunder also, dass die Handelsbeziehungen mit vielen altitalienischen Staaten (v.a. die über keine direkten regelmäßigen Schiffpostverbindungen verfügten, wie eben Venedig, Genua oder Livorno) eher selten waren.

Nun dieser Brief, der die gesamte Strecke auf dem Landweg mit Boten und Kutschen zurücklegte, wurde von der Tartarenpost über den Balkan bis nach Semlin befördert, wo ihn schließlich das österreichische Postamt entgegennahm und dann ihr Postsystem übernahm.

Davon zeugt rückseitig der Desinfektionsstempel mit der Inschrift NETTO DI FUORA ET DI DENTRO und dem österreichischen Doppeladler im Zentrum. Aber nicht nur der Stempel belegt die Desinfektion gegen Cholera, der die Korrespondenz aus dem Osmanischen Reich unterzogen wurde, und der entsprechenden zeitlichen Verzögerung durch Quarantäne, sondern ein deutlich in den Farben sich unterscheidendes Siegel: während zwei Siegel dunkelrot sind, ist eines hellrot; die dunkelroten stammen von der Kontumazstelle in Semlin (nördlich von Belgrad), das den Brief nachgesiegelt hat (womöglich ist ein anderes Siegel bei der Desinfektion abgefallen, oder man hat grundsätzlich durch das Amtssiegel den Desinfektionsvorgang noch einmal bestätigt).

Die handschriftliche Notierung links oberhalb der Siegel stammt vom Kontumazamt in Semlin und notierte den Räuchervorgang des Briefes. Da in dieser Zeit die Cholera besonders arg wütete und besonders die Post aus der Levante als besonders gefährlich eingestuft wurde, ist der Desinfektionsvorgang nicht nur an der österreichischen Grenze, sondern auch beim Grenzübertritt in den Kirchenstaat wiederholt worden. Davon zeugt der Desinfektionsstempel PONTELAGO (scu)RO / NETTA FUORI / E / DENTRO.

Dann kam der Brief zum Austauschpostamt Ferrara, der das Briefpaket öffnete, mit dem Stempel ALTA / GERMANIA NORD stempelte und mit 27 bajocchi taxierte. Der vorhin genannte Stempel zeigt die Provenienz jenseits der österreichischen Monarchie an, wobei der Wortlaut für heutige Begriffe etwas merkwürdig erscheint, hat ja der Brief überhaupt gar nichts mit „dem hohen Norden Deutschlands“ zu tun, wie die wörtliche Übersetzung wäre.

Mit diesem Stempel wurden aufgrund des Postvertrages zwischen Österreich und dem Kirchenstaat im Eingang all jene Briefe markiert, die von der österreichischen Post im Transit an den Kirchenstaat übergeben worden sind (im Unterschied zu den österreichischen Briefen, die den Stempel STATI / EREDITARI AUSTRIACI erhielten). Also ist der Sinn des Stempels „über Österreich“.

 

Österreich erhielt vom Kirchenstaat für diese Briefe eine Vergütung von 1 Scudo pro Unze Gewicht, das sind bei einer Viertelunze für einen einfachen Brief 25 bajocchi, demnach schlug der Kirchenstaat, unabhängig von der internen Entfernung im Kirchenstaat, 2 bajocchi drauf. Hier sieht man, wie lukrativ das Transitgeschäft der Briefe war, wenn man denkt, dass Österreich für die Beförderung im eigenen Staatsgebiet, nach der damaligen Tarifsituation für so einen Brief 14 Kr CM (weiteste innerösterreichische Entfernungsgebühr) verlangte: 25 bajocchi entsprechen in etwa 28 Kreuzer (exakt das Doppelte). Was übrigens nicht vermerkt ist, was der Absender in Konstantinopel der osmanischen Post bezahlt hatte; es waren 2 Piaster und 20 Para (ca. 12 Kr CM).

 

Dr. Thomas Mathà (A.I.E.P.)



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