Durchlauchtigster Unfall mit Postpferden
Durchlauchtigster Unfall mit Postpferden
Die alten Poststationen waren früher nicht nur für die Briefpost sondern auch für die Fahrpost zuständig, die den Großteil des spärlichen Personenverkehrs abzuwickeln hatten. Die planmäßige Eilpost entsprach ab 1823 ungefähr den heutigen Öffis, und die teurere Extrapost stand für wunschgemäße Fahrten zur Verfügung.
Mit einer solchen Extrapost ließ sich Erzherzog Karl Ludwig am 15. 4. 1856 um 2 Uhr in der Früh mit zwei Seefelder Postpferden auf die Jagd bringen. Dabei kam es zu einem Unfall, der zwar für den Erzherzog glücklich ausging, über den aber dennoch in gehorsamster Eile von der Postdirektion Innsbruck der folgende Bericht an Seine Exzellenz, den Herrn Georg Ritter von Toggenburg .S. k. k. Apost. Majestät wirkl. Geheim Rat und Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten, Ritter des Ordens der eisernen Krone nach Wien geschickt wurde:
Euer Excellenz!
Durch den mit der Mallepost von Mittenwald a/J ankommenden Kondukteur wurde mir heute Mittags die Meldung erstattet, wie zwei Seefelder Postpferde, welche bestimmt waren, seine k. k. Hoheit den durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Karl-Ludwig um 2 Uhr Morgens zu einer Jagdpartie zu führen, scheu wurden und durchgingen, und wie hiebei mit Gottes Hilfe ein weiteres Unglück durch den Umstand abgewendet wurde, daß der Reibnagel des Wagens S. k. k. Hoheit brach oder heraussprang, und so der Hintertheil des Wagens zurückblieb, während die beiden versprengten Pferde, den Postillion eine Strecke mitschleppend, mit dem Vordertheil davonliefen, und diesen auch, bis sie nach langer Zeit eingefangen wurden, zertrümmerten.
Ich eilte auf diese Meldung, nachdem der Conducteure weiter bemerkte, daß S. k. k. Hoheit wohlbehalten bereits auf dem Rückwege sich befenden, in das k. k. Schloß, sowohl um mein tiefes Leid über diesen Unfall und zugleich meine Freude über die mit Gottes Beistand stattgefundenen Überwindung der möglichen unglücklichen Folgen, zu bezeugen, als auch mich über die Einzelheiten des Ereignisses näher zu informieren.
Der Vorstand der Kammer S. k. k. Hoheit, Herr Oberstlieutenand Baron von Hornstein, welchen ich gleich nach Ankunft zu sprechen die Ehre hatte, bestättigte die Einzelheiten des Falles und fügte auf meine Fragen bei, daß dem Postillion keine Schuld zur Last fällt, insbesondere daß derselbe die Pferde gut in der Hand gehabt habe, die Pferde anfänglich ruhig gingen, jedoch von einem neben der Strecke stehenden, geschälten und daher in der Finsternis weiß schimmernden Baumstamm scheu wurden, auf die Seite sprangen, sodaß der Hintertheil des Wagens an einen anderen Baumstamm stieß, worauf ersterer losgerissen wurde. Der mitfahrende Jäger, gleichfalls vom Kutschbock herabgerissen, verwickelte sich einen Augenblick in die Stränge, es geschah ihm jedoch außer der Beschädigung seiner Kleider kein Leid. Der Postillion, eine Strecke mit fortgerissen, wurde an der Stirn leicht verletzt, blutete jedoch stark.
Ich halte mich verpflichtet, Euer Exzellenz diesen beklagenswerten Unfall, obschon derselbe Gott sey Dank keine weiteren Folgen nach sich zog, zur hohen Kenntnis zu bringen, daß der Seefelder Postmeister stets ausgezeichnet gute Pferde unterhält und sie vorzüglich pflegen läßt, daß ferner, obschon, wie erwähnt, ein Verschulden weder des Postmeisters noch des Postillions beizumessen ist, ich doch glaubte, hierüber die Poststation in Seefeld zur Verantwortung ziehen zu sollen.
Innsbruck den 15. April 1856
(Endstation der Extrapost: eine Wagnerei)
Da für die intensive Beschäftigung mit der Postgeschichte die Inhalte der Belege oft sehr hilfreich und spannend sind, bemüht sich Tyrolphila um ein reichhaltiges Angebot solcher Poststücke.
Hubert Jungwirth