In untertänigster Ergebenheit

In untertänigster Ergebenheit

 

In untertänigster Ergebenheit

 

Die Beschäftigung mit Vorphilatelie kann so vielfältig sein, dass sie viel Flexibilität fordert: Die wichtigste Voraussetzung ist die Fähigkeit, möglichst viele unterschiedlich ausgeformte Schriften lesen zu können, was einer Vielfalt von Unterlagen und ungezählter Stunden einsamen Lernens bedarf. Wer zum Beispiel zu sehr an der aktuellen Grammatik hängt, muss sich an viele Abweichungen gewöhnen und wer die aktuelle Rechtschreibung als Inbegriff unserer Kultur sieht, muss an vielen wortwörtlichen und buchstäblichen Transkriptionen viel Nachsicht erlernen.

Stilisten müssen sich immer wieder durch ein Gestrüpp ungewohnter sprachlicher Formulierungen unterschiedlicher Bedeutung kämpfen: Bereits beim ersten Anblick eines alten Briefes fällt das doppeltgenannte „Herr, Herr“ auf, wie beim Herrn Herrn Thernigoy in der folgenden Adresse. Vermutlich war das nur ein Ausdruck der Höflichkeit gegenüber bestimmten Herren. Eine doppelte Nennung von Frau Frau oder Witwe Witwe ist mir hingegen noch nicht begegnet.

Alte Adressen von Untertanen an Obrigkeiten beinhalten häufig eine Sammlung von Floskeln. Darunter verstehen wir nichtssagende Formulierungen. Da sie die überragende gesellschaftliche Stellung der Empfänger herausheben sollten, wurden sie auf den Adressen so ehrfürchtig und so zahlreich eingebaut, dass es vieler Zeilen bedurfte.

 

                                                 

Ihro Hochwürden und Gnaden

Dem Hochwürdig Hoch Edlgebohrnen und Hoch=

gelehrten Herrn Herrn Dominico Thernigoy

SS: Theolog Dri, Hochfürstl. Salzburg. Geistl. Rath,

Probsten am Sanct. Virgilium Prag in unter=

Erz. Priester in oberkärnten, und Theils

Tyroll auch Stadt = Pfarrherrn zu gmündt

Meinem gnädig gepiettenden Herrn Herrn

und Patron                                      

a

                            Gmündt

 

 

Der gezeigte Faltbrief stammt aus dem Jahr 1775 von Virgen und trägt in seiner zehnzeiligen Ergebenheitsadresse folgende 7 Wortstämme, die teils sogar mehrfach verwendet wurden: hoch, Würde, Gnade, würdig, edel, gelehrt, gebietend…

 

 

 

Auf von Euer Hochwürden und Gnaden gnädig

an mich erlassenen Befehle die Installation des

Herrn Vicari in Pregratten Jacobe Rtschopf vorzu

nehmen, Erstatte unterthänigen Danckh für die mir

ad hunc actum gegebene Ehre , und Berichte zugleich

gehorsamblich daß dieser actus den 12ten diß wirklich

in Spiritualibus von mir allein in Temporalibus aber

von dem alhießigen wohledlgebohrn gestrengen

Pfleger Herrn Johann Gebhardt Hannenberg, wie

auch von mir Conjunctim vorgenommen wordn, und

alles ganz friedlich abgeloffen seye. Er Vicarius hat

mir zwar ein Gelt honorarium in die Handt trücken

 wollen. Habe aber solches nicht Accestiert, weiß auch

nit in was, und wie vill, solches Bestanden. So hiemit

gehorsamblich anberichte, und nebenbebey unterthänig

Bitte mir ainen Hrn. Supernumerarius ums sovill Jahrige

und heurige zu verordnen , als wohl mein einziger

Hr. Cooperator, als auch ich unter die Zahl der Invaliden

zu zählen, weswegen dann zur gnädigen gewehr

diese meiner angelägendlichsten Bitte, wie auch anders

beharrlichen Gnaden den unterthänig gehorsamist mich

Empfehle.

Unterthänig Gehorßamster Joseph Johann Sidmund

 

Während Adressen die überragende gesellschaftliche Position des Empfängers hervorheben, betonen die meisten Inhalte unübersehbar die untertänige Ergebenheit des Absenders, die sich im gezeigten Briefinhalt wie folgt äußert:

gnädiger Befehl, untertäniger Dank, gegebene Ehre, gehorsamer Bericht, gehorsamst untertänig anberichtet, angelägendlichste Bitte, beharrliche Gnaden, untertänig und gehorsamste Empfehlung….

 

Hubert Jungwirth

 



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