Wie schnell war die alte Post wirklich?
Wie schnell war die alte Post wirklich?
Als Postgeschichtler erzähle ich gerne einmal am Beispiel eines einfachen alten Beleges davon, wie wunderbar zahllose Details miteinander für das zentrale Ziel des alten Postbetriebes verknüpft wurden: für den Kampf um jede Minute.
Die alte Post war unter dem Schutz des Briefgeheimnisses nicht nur der verlässlichste Beförderer von Botschaften, sondern auch der schnellste. Grundlage dafür war natürlich das Netz der Poststraßen, die im alten Verkehrsnetz den höchsten Rang genossen: Ursprünglich handelte es sich dabei um Karrenwege, auf denen eine mehr oder weniger regelmäßige Reitpost vorerst Hofpost beförderte, und sich dann organisatorisch ständig weiterentwickelte, bis zur Aufnahme des Personenverkehrs für die Allgemeinheit.
So schmal waren die ersten Fahrwege, wie hier am Papstl vorbei,
das am Fuße des Schinterwegs zwischen Stephansberücke und Schönberg
an die Durchreise Papst Pius VI. im Jahr 1782 erinnert –
- 4 Jahre später kam auch Geheimrat Goethe dort vorbei
Im 19. Jahrhundert begann ein reger Ausbau der Poststraßen: viele 2 m breiten Fahrwege wurden für den Gegenverkehr auf 4 m verbreitert und abgegrenzt, Steilstücke wurden entschärft und von Meile zu Meile wurden „Wegmacherhäuser“ errichtet.
Die Postillione waren angehalten, auf den Zustand der Straßen zu achten und auftretende Hindernisse umgehend zu melden. Die Postmeister wurden verpflichtet, regelmäßige Straßenzustandsmeldungen über die Poststraßen an ihre Kreisämter zu erstatten. Und immer wieder tauchen Belege auf, welche eine rasche Beseitigung von Schäden an den Poststraßen bestätigen.
Der ungehindert schnellen Brief- und Fahrpost diente aber nicht nur der Zustand der Straßen, sondern auch jener der Postpferde: Die Pferde waren zwar Besitz der Postmeister, aber sowohl die Postmeister als auch ihre Postpferde unterstanden einer ständigen Kontrolle durch die k. k. Postverwaltung. Und wenn sich bei einer Inspektion in einem Poststall ergab, dass ein Postpferd nicht voll tauglich war, oder dass die Pferde nicht ausreichend gefüttert waren, folgte eine Meldung an die Postverwaltung und eine Bestrafung des Postmeisters bis zur Höhe von 10 Gulden. Und seit Maria Theresias Zeiten mussten die Postillione bei Strafandrohung darauf achten, die Pferde „nicht zu übertreiben“ (= nicht maßlos anzutreiben) und mit den Peitschen nur zu schnalzen aber nicht die Pferde damit zu schlagen.
Nicht zuletzt kam den Pferden auch zugute, dass die Postillione genau so zur Poststation gehörten, wie sie selber und daher aneinander gewöhnt waren und ihren Weg bis auf das kleinste Rinnsal im Schlafe kannten. Die Postillione mussten aber nicht nur ortskundig sein und mit Pferden gut umgehen können, sondern auch alle acht Signale auf dem Posthorn beherrschen, welches ja nicht der Unterhaltungsmusik diente, sondern letztendlich der Schnelligkeit der Post. Die reitende wie die fahrende Post genossen nämlich als erste und alleinige Straßenbenützer im Dienste Vorrang vor allen anderen. Und das Posthorn, das ausschließlich von Postillionen geblasen werden durfte, diente dazu diesen Vorrang einzufordern, vergleichbar mit dem heutigen Folgetonhorn.
Mittels Posthornsignal wurde zum Beispiel vor schmalen Brücken oder Hohlwegen der Gegenverkehr aufgefordert, nicht mehr einzufahren, weil die Post kommt. Und in Hörweite vom nächsten Postamt wurde mit dem Posthorn angekündigt, dass die „ordinari Post“ bald eintreffen werde und daher den neuen Pferden Geschirr und Zaumzeug anzulegen sei. Auch das Aufsuchen der nächsten Ausweiche, damit die Post überholen kann, wurde mit einem Signal aus dem Posthorn erzwungen. Das achte Signal war das dramatischte, denn es rief nach einem Defekt am Postwagen, nach einem Unfall oder infolge eines Überfalles Hilfe herbei.
Selbstverständlich konnten die vielen kleinen Details nur deshalb so erfolgreich dem Beförderungstempo der Post dienen, weil die großen Organisationsstrukturen grundsätzlich darauf ausgerichtet waren: Die Poststationen, wo der Wechsel der Pferde und Postillione stattfand, wurden nach Möglichkeit im Abstand von 2 Meilen (= 1 Post genannt) eingerichtet, weil gesunde Pferde diese Entfernung von 15 km im Trab in weniger als 2 Stunden leicht zurücklegen konnten. Und wenn die Strecke Steilstücke enthielt, wurden dafür zusätzliche Vorspannpferde organisiert.
Für den Pferdewechsel, die Übergabe der ankommenden und abgehenden Post, das allfällige Abschmieren der Achsen und die bürokratischen Notwendigkeiten mit dem Stundenpass und den Briefkarten wurden den gewöhnlichen, kleinen Postämtern bei Tag bis zu 10 Minuten zugestanden, bei Nacht 15 Minuten. Größere, zentrale Postämter mit Anschlüssen zu mehreren Postrouten erhielten längere Manipulationszeiten, wobei wiederum Pünktlichkeit der ankommenden und abfahrenden Posten oberstes Gebot war. Aus diesem Grund wurden den Postmeistern von der Postverwaltung nicht nur besonders verlässliche Amtsuhren angeboten, sondern für unentschuldigte Verspätungen wurden die Postillione der Ordinari-Posten mit 1 Kreuzer Geldstrafe je Minute belegt.
Um die Beförderungsgeschwindigkeit zu gewährleisten waren an vielen Stellen der Postverwaltung Möglichkeiten für Überprüfungen und Kontrollen eingebaut. Da gab es die Stundenpässe, in denen alle Ankunft- und Abfahrtzeiten aller Ordinarifahrten an allen Poststationen der Monarchie eingebaut waren, und jede Fahrt wurde vom Anfang bis zum Ende von einem ortsfremden Conducteur begleitet, der immer und überall nach dem Rechten zu schauen hatte. Darüber hinaus gab es in jedem Posthaus einen Aufenthaltsraum, in dem neben dem Ordinari-Fahrplan und den festgelegten Posttarifen sogar ein Beschwerdebuch auflag, in das Passagiere allfällige Unzulänglichkeiten eintragen konnten. Selbstverständlich waren alle Posthäuser jahrein, jahraus 24 Stunden lang geöffnet.
Auch die damalige Straßenverkehrsordnung sei noch kurz gestreift, weil auch sie grundsätzlich jede Behinderung der Postfahrzeuge verhindern sollte. So sahen Ausweichregeln zum Beispiel vor, dass leichte entgegenkommende Fuhrwerke der Post die ganze Fahrbahn, schwere Fuhrwerke aber nur eine Spur freigeben mussten, damit die Post möglichst schnell vorbeikam. Andererseits durften Postwagen Prozessionen und Trauerzüge nicht trennen und mussten an militärischen Munitionswagen besonders vorsichtig vorbeifahren, damit durch Hufe und Radreifen kein Funkenflug erzeugt werden konnte.
Abschließend soll der folgenden Brief als Zeitzeuge belegen, wie schnell die alte Post wirklich sein konnte:
Er wurde am 22. Mei 1849 am Schalter des Postamtes Steinach persönlich aufgegeben und bezahlt. Als 1½ Lot schwerer Brief betrug sein Franko 36 Kreuzer Conventionsmünze.
Der Postbedienstete bestätigte mit dem Orts-Tagesstempel seine Aufgabe und mit dem Frankostempel, dass die gesamte Briefgebühr bereits bezahlt ist. Daraufhin wurde er in das Briefpaket nach Brixen gesteckt, wo er warten musste, bis um ca. 9 Uhr die Mallepost von Innsbruck nach Verona eintraf.
Nachdem das Posthorn schon von Weitem die Ankunft der Post angekündigt hatte, richtete der neue Postillion die beiden frischen Pferde her und führte sie zum Wechseln vor das Posthaus. Mittlerweile nahm der Postmeister die ankommende Post in Empfang und verlud die abgehende Post mit unserem Brief.
Während der nächsten Etappe musste zum Brennerpass hinauf noch ein Vorspann helfen, die vorgeschriebene Zeit einzuhalten. Die restliche 3 Teilstücke bis Brixen, wo ein neues Felleisen auf die Post nach Kärnten wartete, verliefen talabwärts.
Im Durchschnitt betrugen die vorgegebenen Fahrzeiten und die kurzen Manipulationszeiten zusammen für eine Post jeweils 2 Stunden, sodass unser Brief ungefähr um 19 Uhr in Brixen angekommen sein dürfte.
Da in Brixen das Felleisen nach Kärnten gepackt wurde, muss für die dortige Manipulationen der Umleitung aus und nach Kärnten jedenfalls eine Stunde angenommen werden. Und da die Strecke von Brixen nach Klagenfurt 12 Posten betrug, muss unser Brief noch mindestens weitere 24 Stunden auf dem Weg gewesen sein. Seine Ankunft in Klagenfurt kann also frühestens um 20 Uhr des 23. Mai erfolgt sein.
An der Reise unseres Briefes waren also mindestens 35 Pferde, 17 Postillione und ein paar Postmeister, Wagenmeister und andere Postbedienstete beteiligt.
Spottkarte über die alte Schneckenpost
Ich hoffe, den Spott über die alte Schneckenpost als bösartige Verleumdung entlarvt zu haben, und jeder Altbriefsammler findet selber auch solche Frankobriefe mit Ankunftstempel für die nachweislich bewundernswerte schnelle alte Post. Aber was kann man von Spott auch erwarten! Um nicht selbst zum Spötter zu werden, überlasse ich den Vergleich zwischen der alten und unserer aktuellen Post den Erlebnissen der geschätzten Leser.
Hubert Jungwirth